Donnerstag, 30. Januar 2014

Die wahren Probleme positiver Strafe und negativer Verstärkung

Nachdem wir in unserem Alltag als Hundetrainerinnen immer wieder damit konfrontiert werden, ist es uns ein Anliegen, dieses Thema einmal genauer zu behandeln.

Sehr oft stellen wir fest, dass es anscheinend vollkommen normal ist, seinen Hund anzuschreien, an der Leine zu ziehen und zu reißen, wenn er nicht Fuss gehen will und bei dem leisesten Anzeichen von Fehlverhalten zuerst Taschentuchpackungen dem Hund hinterher zu werfen und wenn das keine Wirkung mehr zeigt, sofort mit Klapperdosen und Wurfdiscs um sich zu schleudern.
Nicht zu vergessen der Einsatz der Moxonleine, mit deren Hilfe man den Hund perfekt ins gewünschte Verhalten würgen kann. Und dank Cesar Milan ist das “piksen” in die Weichteile oder das sofortige Zischen auch absolut in Mode… Man sieht es im Fernsehen und schwupp di wupp wird es sofort bei Bello ausprobiert, wenn er mal nicht so will, wie Herrchen oder Frauchen wollen.
Dem Hund wird jede Möglichkeit genommen richtig zu reagieren, Fehler zu verbessern. Es scheint eher so, als würde man darauf warten, dass der Hund falsch reagiert um ihn dann maßregeln zu können.
Wir hören auch immer wieder, dass wir verloren wären, wenn wir kein Spielzeug oder keine Leckerlies mehr im Training benutzen könnten oder dass in einem Wolfsrudel der Ranghöchste auch keine Leckerlies verteilt für gute Leistungen. Aber hat jemand von Ihnen schon mal einen Wolf eine Taschentuchpackung werfen sehen um Fehlverhalten im Rudel zu korrigieren? Wir nicht…
Man wirft uns also vor, dass wir ohne dies unsere Hunde nicht im Griff hätten. Das sehen wir sehr gelassen, denn immerhin arbeiten unsere Hunde mit Freude, weil sie gelernt haben, dass Folgen Spaß macht. Wir können aus der Natur unsere Belohnungen schöpfen. Aber die Menschen, die uns das vorwerfen, haben eher ein Problem. Vergessen sie einmal ihre Wurfgeschosse oder ihre Würgeleine, kann es durchaus problematisch werden. Denn Hunde lernen über Verknüpfung und finden sehr schnell raus ob ihre Menschen die benötigten Werkzeuge dabei haben oder nicht.
Es geht sogar so weit, dass einige Hundehalter und vor allem auch Trainer der Meinung sind, dass der Hund nicht für irgendeine Belohnung, sondern für sie arbeiten sollte.
Aber warum sollte er das tun? Nur weil viele Menschen in ihrer Selbstherrlichkeit glauben, dass ihre Anwesenheit alleine ausreicht, den Hund zu motivieren? 
Diese Einstellung hat rein mit Humanpsychologie zu tun, aber gar nichts mit Tierpsychologie, denn sie basiert rein auf dem Wunschgedanken des Menschen wenigstens von einem Lebewesen nur um seiner selbst Willen geliebt und respektiert zu werden. Wir können schon verstehen, dass das ein schöner Wunschgedanke ist, aber aus biologischer Sicht muss das Lernen für den Hund eine Verhaltensanpassung sein, die ihm in irgendeiner Form Vorteile bringt, er sieht es nicht als Liebesbeweis zu folgen. Hier besteht die Kunst darin, zu lernen den Hund variabel zu belohnen. Denn viele haben Angst, dass sie ein Leben lang, nur noch mit Würstchen bewaffnet, vor die Türe gehen können. Wir können Ihnen diese Angst nehmen.
Richtig aufgebaut, wird der Hund sehr gut auch ohne Leckerlies auf Dauer folgen, aber das heißt eben nicht dass er gar nicht mehr gelobt wird. Natürlich wird richtiges Verhalten belohnt und dadurch verstärkt, aber das muss nicht zwingend mit Futter sein. Das Repertoire ist riesig, man braucht bloß ein wenig Einfallsreichtum und man muss sich die Zeit nehmen den Hund zu beobachten. Daraus kann man dann eine Fülle an Belohnungen generieren und auf Dauer werden Leckerlies einfach ein Teil aus einem großen Belohnungssystem.
Aber wo liegt denn nun wirklich das Problem, wenn man mit Strafe arbeitet?
Eines der größten Probleme liegt darin, dass Hunde über Verknüpfung lernen. Wenn ein Hund nun eine positive oder negative Erfahrung macht, verknüpft er sie in diesem Moment mit vorhandenen Reizen. Dabei sollten Sie nie vergessen, dass SIE einer dieser Reize sind. Arbeiten Sie nun mit negativen Reizen, wird er gleichzeitig lernen, Sie mit unangenehmen Dingen in Verbindung zu bringen.
Wir hören oft das Argument, dass es mit manchen Hunden aber nicht anders gehen würde, da sie wahnsinnig aggressiv wären und man da nur mit absoluter Härte gegen ankommen würde. Dramatischer wird es nur, wenn dann aversive Trainingsmethoden damit schön geredet werden, dass sie die letzte Chance des Hundes wären, da er sonst eingeschläfert werden würde.
Jeder, der sich aber einmal mit dem Lernverhalten des Hundes beschäftigt hat, entdeckt sehr schnell den Haken an der Sache.
Im Fall von aggressivem Verhalten haben wir es sowieso schon mit einem Hund zu tun, der sich mit einer Situation oder einem Reiz unwohl fühlt. Wenn Sie nun den Hund, der auf einen bestimmten Reiz schon negativ reagiert, mit positiver Strafe (etwas Unangenehmes wird hinzugefügt z.B Tritt, Würgen,…) maßregeln, dann kommt es automatisch zu einer klassischen Konditionierung, bei der der Reiz mit einer unangenehmen Erfahrung verknüpft wird. Und da entsteht das Hauptproblem.
Strafe im Hundetraining führt eher dazu ungewünschtes Verhalten wie z.B Aggression noch zu steigern, anstelle es zu reduzieren. Der Hund fühlt sich in Anwesenheit des aggresions- oder angsteinflösenden Reizes noch unwohler und hat daher das Bedürfnis sich zu verteidigen.
Schließlich führt Strafe zu einer Hemmung des Verhaltens und nicht dazu, dass es aus dem Verhaltensrepertoire des Hundes verschwindet. Das Verhalten existiert nach wie vor, es wird bloß in diesem Moment nicht gezeigt. Das heißt am Ende des Tages, dass der Hund zu einer tickenden Zeitbombe wird, weil die Ursachen nicht behandelt wurden. Er wurde durch Strafe nur in ein Meideverhalten gedrängt. Und ein Hund, der ein Verhalten aus Angst unterdrückt, kann sehr schnell gefährlich werden.
Das nächste Problem dass dann noch hinzukommt ist, dass Hunde sich auch an Strafe gewöhnen können. Es kommt bei Bestrafung zu einer Ausschüttung verschiedener stressreduzierender Stoffe ins Blut. Diese chemischen Stoffe wie Cortisol, Endorphine oder Adrenalin wirken sogar höchst selbstbelohnend, weil sie zu euphorischen Empfindungen führen und schmerzlindernd wirken. Das kann zur Folge haben, dass nach mehrmaliger Bestrafung die Strafe selbst zu einem wirksamen Verstärker werden kann und in den wenigsten Fällen ist einem diese Wirkung bewusst. Im besten Fall merkt man nur, dass die Strafe nutzlos geblieben ist.
Positive Strafe ist aber vor allem auch für die Person, die sie anwendet eine Verhaltensverstärkung.
Wenn sich jemand erst einmal entschieden hat, positive Strafe anzuwenden, heißt das meistens, dass keine Kreativität für die Suche nach Möglichkeiten zur positiven Verstärkung mehr aufgewendet wird.
Solche Personen werden unbeweglicher in ihrem Denken, weil positive Strafe so einfach ist und weniger Nachdenken erfordert und weil die Tatsache, dass sie dabei eigene Emotionen abreagieren können, ihr eigenes Verhalten verstärkt.
Menschen hingegen, die diese Form des Trainings ablehnen, sind einfallsreicher und bemühen sich, weniger fragwürdige Methoden zur Verhaltenskorrektur zu finden.
Doch in unseren Augen ist fast der ethische Aspekt der gravierendste, der gegen das Training mit positiver Strafe spricht.
Vergessen Sie nie, dass SIE es sind, der einen Hund aussucht und zu sich holt. Kein Lebewesen verdient es, schlecht behandelt zu werden. Es ist ethisch verwerflich ein Lebewesen absichtlich unangenehme Empfindungen zuzufügen, es zu schlagen, zu würgen, anzubrüllen oder an der Leine zu rucken, noch dazu einem Lebewesen, dass SIE sich als Sozialpartner ausgesucht haben. Dieses Tier ist ihr Freund, vielleicht auch die Familie. Sie haben es in eine fremde Welt geholt. Ihr Freund hat Probleme, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Helfen Sie ihm und tun Sie ihm bitte nicht weh!
Unser Training besteht nicht darin, mit Wattebäuschchen zu werfen, aber viele verwechseln Konsequenz mit Strenge. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Hunde folgsam sind, dass wir uns im Alltag auf sie verlassen können. Hierfür müssen wir auch nicht unser Leben lang mit Würstchen und Käse bewaffnet aus dem Haus gehen. Diese Ziel erreicht man über eine liebevolle, geradlinige und konsequente Erziehung. Wenn man dann auch noch etwas kreativ ist und den Hund gerne mal beobachtet, finden sich viele Variationen der Belohnung, mit der man richtiges Verhalten bestärken kann.
Denn was gibt es Schöneres, als einen Hund, der aus Freude an unserer Partnerschaft, mitarbeitet?
Wir würden uns wünschen, dass dieser Text den ein oder anderen anregt über sein “System” nachzudenken und vielleicht in der Zukunft noch mehr Menschen entdecken wie schön es sein kann, mit seinem Hund zusammen zu arbeiten. Wenn man von dem Gedanken abkommt, dass der Hunde perfekter sein muss als man selbst, ist das auch gar nicht so schwer :-)